Eine Massenmobilmachung der Reimpaare (1914)

Professor Borkowsky (1860 geborener Leipziger Kulturhistoriker) (in: Unser heiliger Krieg , Weimar 1914 , S. 135ff)

Klingt unter den tausend Wortern ein gutes Wort, das unter den Tausenden von Lesern nur einen ergreift, ist es doch nicht vergebens gesungen. Berufene und Unberufene hat Ludwig Uhland zum Wettgesang in den deutschen Dichterwald geladen. An den Eisenbahnwagen, die, mit Blumengewinden fröhlich geputzt, die singenden Soldaten nach der Grenze trugen, stand der erste schlagende Reim; er blieb auch der beste: „Jeder Schuß ein Ruß“, „Jeder Stoß ein Franzos“ Mit den neuen Feinden kamen neue Reime hinzu: „Jeder Tritt ein Brit“, „Jeder Klaps ein Japs.“ „Auch in Serbien soll´n sie sterben,  uns in Belgien nicht behell´gen; und über die Montenegriner lachen die Hühner“.

Dann sah man in Kreideschrift: „Es trinkt der Mensch, es säuft das Pferd – in Rußland ist es umgekehrt“ … „Russische Eier, französischer Sekt, deutsche Hiebe – ei, wie das schmeckt“. Auch wie im alten Kinderlied klang es: „Zeppelin flieg! Hilf uns im Krieg! Fliege nach Engeland, Engeland wird abgebrannt, Zeppelin flieg“!“ Und in einer Mainzer Wachtstube entsprang ein Lied „0 Nikolaus, o Nikolaus mit der Schlußstrophe:

„Und wenn die Welt voll Feinde wär
und keinem wär zu trauen
fürchten wir uns dennoch nicht
wir halten´s, wie der Kaiser spricht
Wir werden sie, wir werden sie
wir werden sie verhauen.“

(…) Unter den Glockenklängen der Kirchen und Dome hoben sich Klarheit und Entschluß, das war die Erlösung. Aus der männlichen Kraft wuchs die Haltung und mit ihr stand ohne Ruhmredigkeit der eisenfeste Glaube an den Sieg. Richard Dehmel gab seine Kriegsgedichte unter dem Namen „Volkesstimme Gottesstimme“ als Flugblatt heraus. „Lied an alle“ nennt er diese Verse: „Sei gesegnet, ernste Stunde die uns endlich stählern eint“ (…) Der deutsche Soldat mag mit dem Gelüst der Rache seinen Tornister aufschnallen; blindwütige Flüche kann er dann hervorstoßen – im Kampfe fällt das alles von ihm ab. Da wirbt allein die frische Tatenlust der Kraft um seine Seele. Und auch das Pathos der Sänger muß hier im Pulverdampf verwehen, damit das ungezierte Wort feldmarschmäßig komme.

Die ersten Streitlieder weideten sich in hanebüchener Sprechart und hausknechtsmäßigen Gebärden; sie täuschten sich, wenn sie darin die Volksart suchten. Und sie sind auch bald verhallt. Dann fanden sie den rechten Ton. Da stimmte Dehmel sein Fahnenlied an: „Es zieht eine Fahne vor uns her“ (…)

Die derbsprachige Verachtung des Gegners ist immer Kinderart und Soldatenart gewesen. Die Kriegsdichtung braucht sich auch ihrer nicht zu schämen; auch die Helden Homers entluden ihr Herz in Schimpfworten, ehe sie den Schild aufnahmen.

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