Brief von Chemnitz an Straß
Dies war die Ursache, welche mich auf mehrfaches Anfordern zu dem Versuche bewog, die von Ihnen angeregte und mit so ungetheiltem Beifall aufgenommene Idee den augenblicklichen Zuständen und der Stimmung des Landes gemäß weiter zu entwickeln und sie beiden möglichst anzupassen. Aus denselben Rücksichten hat auch Herr Bellmann noch einige nicht unwesentliche Modificationen mit dar Komposition vorgenommen. Im Anschlüsse gebe ich mir die Ehre, Ihnen, geehrtester Herr Justizrath, ein Exemplar der Textworte, wie die hiesige Liedertafel selbige zum Feste hat drucken und verteilen lassen, ergebenst zu übersenden. Sie wer- den daraus gefällig ersehen, auf welche Weise mein Ver- such ausgefallen, wie ich aber namentlich von Ihren tief religiösen Kraftworten: „Gott ist stark auch in den Schwachen usw.“ mich nicht habe lossagen können, die mir vom ersten Augenblicke an, als ich Ihr Gedicht las, stets im Innern nachhallten.
Ich darf von dem gleichgestimmten poetischen Gemüth hoffentlich einer milden Beurteilung versichert sein, um so mehr, als der Erfolg auf dem Sängerfeste, der weithin wesentlich auf Ihr Verdienst zurückzuführen ist, ein wahrhaft rührender war. Lassen Sie mich Ihnen berichten, daß, als die Schleswiger Liedertafel beim Festmahle nach dem Toaste auf das einige Schleswig-Holstein das fragliche Lied in der volksmäßigen, von Bellmann gesetzten Weise sang, nicht bloß die sämmtlichen übrigen Sänger im Chore einfielen, sondern Tausende von Theilnehmern in großartiger Begeisterung gegen die Zumuthungen der Widersacher des Landes protestierten und die ganze weite Festhalle am Ende von einem stürmischen endlosen Hurrah! für das geliebte, so bewegte und angegriffene Vaterland wiederhallte.
Um so mehr kann ich es nur innigst bedauern, daß Sie, dessen Name seit Ihrem früheren Besuche auch außerhalb der Liedertafel in guter Erinnerung lebt, nicht Selbst Zeuge der rauschenden Theilnahme waren, mit welcher die von Ihnen angeregte Idee sich der Herzen Aller bemächtigte. Es hat mich gedrängt, gegen Sie, hochgeschätzter Herr Justizrath, mich auszusprechen. Ich hoffe auf eine freundliche Deutung meiner Zeilen und darf mit der ergebensten Bitte, sobald die Partitur des Liedes, welches, getragen von den Sängern bereits bis zu den äußersten Grenzen des Landes gedrungen ist, erschienen sein wird, von Herrn Bellmann und mir das erste Exemplar gütigst annehmen zu wollen, schließlich die fernere Bitte verbinden, daß Sie Ihr mehr bewiesenes freundliches Interesse an unseren öffentlichen Zuständen uns bewahren wollen. —
Lied-Geschichte: Schleswig-Holstein meerumschlungen
Volksmusik: Volkslieder
Ort: Schleswig-Holstein
Siehe dazu auch:
- Das Schleswiger Sängerfest vom August 1844 ()
- Der Nikolausabend – Der heilige Nikolaus und der Knecht Ruprecht ()
- Die Uhr von Loewe ()
- Eine Glosse über „Der Sänger hält im Felde die Fahnenwacht“ ()
- Hobelbank – Hochzeitsbrauch ()
- Kaiserhymne ()
- Negeraufstand – Das N-Wort im 19. Jahrhundert ()
- Reiters Morgengesang ()
- Schleswig-Holstein Meerumschlungen (Entstehung) ()
- Taktwechsel oder 5/4-Takt? ()