Erlebnisse von der Hausagitation
Eine Funktionärin unseres Verbandes (in: Der Textilarbeiter, Nummer 13, 1. 4. 1927)
Wir ließen es an weiterer Aufklärung nicht fehlen, und nachdem mein Kollege, ein langjährig organisierter Arbeiter, noch einige drastische Erlebnisse vom Kampf der Arbeiterschaft in der Vorkriegszeit schilderte, hatten wir unseren jungen Kollegen soweit überzeugt, daß er sich bereit erklärte, den Verpflichtungen seiner Berufsorganisation besser nachzukommen. Er vereinbarte mit uns, die rückständigen Beträge ebenfalls nachzuzahlen.
Wir setzten unsere Tour fort. Einer Arbeiterin im Nachbarhaus galt unser Besuch. Wir klopften an die Tür, doch vergeblich. Schon glaubten wir unverrichteter Dinge wieder fort zu müssen, als wir erfuhren, daß Frau H. im Waschhaus sei. Dort trafen wir sie auch an. Mit den Worten „da können wir wohl gleich mithelfen“, begannen wir hier unsere Agitation. Sie musterte uns anfänglich ziemlich kritisch, machte aber schließlich ihrem Herzen Luft und schilderte, daß sie ein nicht besonders leichtes Los habe, da sie für drei Kinder allein sorgen muß.
„Na und wenn man die ganze Woche im Betriebe angespannt arbeiten muß, so bleibt einem nur der Sonntag für das Instandhalten der Häuslichkeit.“ So erzählte sie weiter. Wir verhehlten ihr nicht, daß wir dieses bittere Unrecht, die Überlastung der Frau schon lange eingesehen haben und daß unsere Organisation sich in besonderem Maße darum bemüht, diese Unterdrückung der Textilarbeiterin zu beseitigen.
Schließlich erfuhren wir auch den Grund, warum sie aus dem Verband ausgetreten ist. Sie sei verärgert gewesen, daß der Betriebsrat mit der Betriebsleitung Abmachungen betreffend längerer Arbeitszeit getroffen habe, ohne die Arbeiterinnen vorher zu befragen. So sehr wir dieses Vorkommnis verurteilten, so versuchten wir nun zu schlichten und die Kollegin zu überzeugen, daß für ein Verfehlen einer einzelnen Person doch nicht die gesamt Organisation verantwortlich gemacht werden könne, sondern daß in diesem Fall ein gemeinsamer Protest der Arbeiterinnen einen Ausgleich geschaffen hätte.
Das leuchtete auch ihr ein, und so kam sie unserem Verlangen nach und wurde wieder Mitglied unserer Organisation. Wir verwiesen sie noch an die Stellen, wo sie vertrauensvoll ihre Beschwerden vorbringen kann und verabschiedeten uns, indem wir für ihre Wäsche noch Gut Wetter wünschten.
Unser nächster Besuch galt zwei Geschwistern, einer achtzehnjährigen und einer einundzwanzigjährigen Arbeiterin. Nachdem wir hier unsere Mission begonnen hatten, erfuhren wir, daß die dritte Schwester, die älteste von den dreien, selbst Funktionärin unserer Organisation ist und daß es ihren Bemühungen nicht gelang, die beiden Säumigen zu veranlassen, ihren Verpflichtungen der Organisation gegenüber nachzukommen. Sie war deshalb erfreut über unser Kommen.
Volksmusik: Zeitgeschehen
Schlagwort: Gewerkschaft
Siehe dazu auch:
- Betrifft „Hamburger Swing-Kreise“ (Edelweißpiraten)
- Das Attentat des Bürgermeisters Tschech vom 26. Juli 1844 ()
- Der alte Gewerkschafter Xaver – Anekdote (Weberlieder)
- Der Ruhrkampf 1920 (Lieder der Maerzrevolution 1920)
- Die hessischen Söldner bei Schiller (Auswandererlieder)
- Die toten Bergleute in Hausdorf in Schlesien (Bergmannslieder)
- Die Wacht am Rhein (Ernst Toller, 1914) ()
- Ein Besuch in Barackia (Allgemein)
- Ein Fest für Robert Blum (1848) ()
- Ellis Island (Auswandererlieder)
- Fremde in Amerika (Auswandererlieder)
- Heckerlied ein Studentenlied – aus Heidelberg? (1962) ()