Storch Adebar
Der Klapperstorch und die Kinder
Gustav Eskuche und Johann Lewalter (in: Kasseler Kinderliedchen)
Ein Haus, auf welchem er nistet, ist vor dem Blitz sicher; der Schwälmer und Fuldaer Bauer legt ihm deshalb ein Wagenrad auf das Dach oder setzt ein Balkengestell auf den Giebel des Hauses, worauf er bequem sein Nest bauen kann. In der Kasseler Fassung scheint der Bittruf mehr für einen Knaben zu passen, der sich besonders nach einem Schwesterchen sehnt, vielleicht verhüllen aber die farblosen Beiwörter „guter“ und „bester“ einen Sinn, welcher der uralten Vatervorliebe für Jungen weniger widerspricht.
Im Niedersächsischen singen die Kinder:
„Adebar (—Kinderbringer), du Nester,
Bring mi’n kleene Schwester;
Adebar, du Roder
Bring mi’n kleenen Broder!“
Aus dem Süden kehrt der Storch, der kluge Bote der gütigen Frau Holle, durch die Luft rudernd (Roder), zurück, um an der trauten Stätte sich einzunisten (Nester).
Möglich, daß auch der Kasseler Bittruf einst den Storch als den heimrudernden, nistenden Freund begrüßte. Solche Fragen können nur mittels genauer Zusammenstellung aller hessischen Kinderliedchen, die noch fehlt, gelöst werden. Denn vom Lande sind die Sprüche und Liedchen in die Stadt gekommen und hier, ohne Berührung mit dem übrigen Volkslied und Volksleben, nur zu schnell verkümmert.
Adebar, althochdeutsch odebero, ist um Magdeburg herum zu Auder geworden, woraus sich eine andere niedersächsische Fassung erklärt, die den Storch sogar in den Adel erhebt: „Adebar van Oder“ und „Adebar van Ester“. Anders klingt dasselbe ahd. odebero in Dessau:
„Klapperstorch, du Luder
brink mich en kleenen Bruder“.
Du sind doch unsre Kasseler Kleinen artiger gegen den wackern Vertrauensmann der Frau Holle.
An der Wiege des neuen Geschwisterchens hört nun das Kind aus dem Munde der Mutter dieselben Wiegenliedchen, die sie ihm selbst gesungen, als es auch noch so klimperklein war. „Ken Mueder isch so arm, se leit iehr Kindel warm“, sagt der elsässische Volksreim; und „Not lehrt nicht nur beten, auch singen“. Denn wenn der kleine Schreihals in seiner Welt von Brettern nicht zu Ruhe kommen will, die Liebe öffnet auch der Mutter, die vorher niemals singen konnte, den Mund zum Gesange, und unermüdlich singt und summt sie ihrem Lieblinge vor, bis er die kleinen Guckäuglein zumacht.
Das Schaukeln der Wiege nachahmend singt sie ihm von dem lieben sanften Tier, zu dem das Kind auch nachher sich am meisten hingezogen fühlt, von dem armen Bälämmchen, das sich draußen an einen Stein gestoßen hat. als Mahnung, hübsch fein in der Wiege zu bleiben und einzuschlafen; oder sie droht ihm gar mit dem bösen schwarzen Schaf; oder erzählt von den armen Gänsen, die mit ihren roten Füßen barfuß einherlaufen müssen, während das Kindchen fein warm in der Wiege liegen kann und später auch Schühlein vom Schuster bekommt.
Volksmusik: Volkslied-Forschung - Verschiedenes
Schlagwort: Frau Holle • Storch
Ort: Hessen, Kassel
Siehe dazu auch:
- Aus dem Tagebuch des Varnhagen von Ense (1844) (Politische Lieder)
- Ausländer Menschen niederen Grades? ()
- Bedeutung des Spiels ()
- Betrifft „Hamburger Swing-Kreise“ (Edelweißpiraten)
- Das alte Volkslied von der Besiegung der Seeräuber Störtebeker und Gödeke Michael ()
- Das Attentat des Bürgermeisters Tschech vom 26. Juli 1844 ()
- Das Bebersche Lied von 1848 (Allgemein)
- Das Lied vom treuen Robert Blum 1849 ()
- Das Ottolied ()
- Denkst du daran mein tapferer Lagienka (Hintergrund) ()
- Der alte Gewerkschafter Xaver – Anekdote (Weberlieder)
- Der Auszug nach Weiler (1848) ()