Gleichwohl haben früher einige französische Schriftsteller, darunter Buchez und Roux in ihrer Geschichte der Revolution angegeben, daß ein M. L’Allemand de Hoeningen, über den nichts weiter bekannt ist, die Musik deš Marseiller Marsches gesetzt habe. Diese unbestimmte Notiz könnte sich auf einen Deutschen aus Hüningen im Elsaß beziehen und das „in Musik setzen“ soll wohl soviel als „für Orchester gesetzt“ heißen, welche Kunst der Offizier R. gewiß nicht besaß.
Man hat aus dieser Nachricht sogar auf den Berliner Kapellmeister Fr Reichardt schließen wollen und ihm gar die Komposition zugeschrieben. Das wäre nicht ganz unglaublich, sowohl wegen der Trefflichkeit des Marsches, dergleichen mehrere aus Reichardts älteren Opern (z. B. Brennus) noch anklängen, als auch weil Reichardt gerade im Jahr 1792 im Elsaß war in seine vertrauten Briefe von dieser Reise seine Entlassung aus dem königl Dienste bewirkten, weil diese Stellung unverträglich sei mit seiner Sympathie für die Revolution, wie denn auch sein politisches Trompeten nach 1797 ihm einige derbe Xenien eintrug.
Allerdings wäre es merkwürdig, wenn ein Deutscher die Musik zur Marseillaise gemacht haben sollte und die scharfen Worte Klopstock’s zum Dichter der Marseillaise als letzterer in Hamburg war, wie er Deutschland betreten dürfe, da sein Gesang 40.000 Deutsche erschlagen habe, zugleich einen Deutschen selber träfen, denn ohne Zweifel gebührt dem Komponisten, wer er auch sei, die volle Hälfte an dieser Hekatombe.
Kaum der Erwähnung wert ist eine naive Behauptung in der Gartenlaube 1861 Nr 16, nach welcher der franz Komponist zur Marseillaise die Melodie des Credo einer Missa Nr 4 vom Kapellmeister Holtzmann in Meersburg am Bodensee benutzt haben soll. Hat Fr. Hamma, der beim Durchstöbern der Noten eines alten Kirchenschranks die Missa fand, wirklich eine Ähnlichkeit beider Melodien entdeckt, nun so kann doch Holtzmann entlehnt haben. Das erscheint mir um so mehr wahrscheinlich, weil seine Missa gar nicht gedruckt wurde, ihr Entstehungsjahr nicht feststeht und sie schwerlich aus der Kirche heraus bis zu den Franzosen gedrungen ist.
Dazu ist die Musik der Marseillaise in ihrem Charakter so ganz französisch, dass für Musikkenner es lächerlich erscheint, sie als deutscher Herkunft zu reklamieren. Umgekehrt hat die französische Melodie in Deutschland Nachbildung gefunden, denn die 4 Anfangstakte derselben kommen in der Melodie des Rinaldoliedes von Vulpius 1800 In des Waldes tiefsten Gründen geradezu als Schluß vor. Ähnlich kanns ja auch Holzmann ergangen sein, dass er Anklänge an die damals in der Luft liegende französische Weise in sein Credo unabsichtlich brachte.
Lied-Geschichte: Marseillaise
Volksmusik: Volkslieder und ihre Geschichte
Liederzeit: 1871-1918: Deutsches Kaiserreich
Siehe dazu auch:
- Das alte Volkslied von der Besiegung der Seeräuber Störtebeker und Gödeke Michael ()
- Das Lied vom treuen Robert Blum 1849 ()
- Das Ottolied ()
- Der bestrafte Fähnrich ()
- Die Ulinger-Blaubart-Sage ()
- Ein deutsches Volkslied (Wir versaufen unser Oma) ()
- Es geht ein frischer Sommer daher ()
- Es wollt ein Mädel in der Früh aufstehn (1936) (Jäger und Mädchen)
- Es wollt ein Mädl wohl früh aufstehn (Breslau) (Jäger und Mädchen)
- Es wollt ein Mägdlein früh aufstehn (1933) (Jäger und Mädchen)
- Es wollt ein Mägdlein früh aufstehn (unklar) (Jäger und Mädchen)
- Es wollt´ ein Mädchen früh aufstehn (1918) (Jäger und Mädchen)