Vorrede zu Deutscher Liederhort

Ludwig Erk (in: Deutscher Liederhort, Vorrede, August 1853)

Sie alle haben das gemein, daß, so viel Schönes in Rücksicht der Texte geleistet, sie mit wenigen Ausnahmen das Musikalische nicht genug zur Geltung kommen lassen 1, weil die Mehrzahl der Bearbeiter teils der Musik überhaupt unkundig gewesen, teils im Volksgesang nicht die hinreichende Erfahrung gehabt, um Verfehltes vom Richtigen mit Erfolg unterscheiden zu können.

Sind nun Text und Melodie in einem unzertrennlichen Bunde beschlossen, so liegt dem heutigen Sammler und Bearbeiter nach jenen Vorgängern ob, auch der Melodie zu ihrem Rechte zu verhelfen, um durch sie wo möglich Hülfe und Handhaben für die Kritik des Textes zu gewinnen. Bereits in den früheren dreizehn Heften deutscher Volkslieder, welche ich in den Jahren 1838 bis 1845 bekannt gemacht 2, ist es mein Hauptbestreben gewesen, die Melodien sicher und unverfälscht zu geben, nicht minder die Worte, besonders der mündlichen Überlieferung. Aber bei dem eingeschränkten Kreise der Mitteilungen, die mir in jener Zeit zu Gebote standen, habe ich die vergleichende Kritik noch nicht genug üben, eine durchgreifende Herstellung nicht bewirken können.

Gegenwärtig ist der Ertrag des früher von andern Mitgeteilten mit dem, was eigene Bemühung gewonnen, zu einem Ganzen verschmolzen, so daß auch, was den Vorgängern verdankt wird, nunmehr vielfach in verbesserter Gestalt erscheinen kann. Der vorliegende erste Band der umfassendern Sammlung hat es vorzugsweise mit solchem Gute zu tun, welches durch die heutige Tradition gewonnen; die Lieder der vorangehenden Jahrhunderte, welche im Munde des Volkes zum großen Teile, in ihrer alten Form eigentlich ganz ausgestorben sind, sollen die Arbeit des folgenden Bandes bilden. Diese Sonderung des Jüngeren von den älteren  Jahrhunderten und das Zurückgehen vom neueren Volksliede zum früheren erachte ich als den einzig heilsamen und fruchtbringenden, für die Erkenntnis des älteren Liedes als den allein sichern Weg.

  1. Gervinius II, 281 unten.
  2. Die deutschen Volkslieder mit ihren Singweisen, gesammelt und herausgegeben von L. Erk und W. Irmer; (B. I.) 6 Hefte. Berlin, 1838—1841. (Jetzt durch die J. H. Funkesche Buchhandl. in Krefeld zu beziehen.) — „Neue Sammlung deutscher Volkslieder mit ihren eigentümlichen Melodien. Herausgegeben von L. Erk. (B. ll.) 6 Hefte; B. Ill, H. 1. Berlin, 1841—1845. (B. II, H. 1—3 bei Bote u. Bock in Berlin, die Fortsetzung, von B. II, von H. 4 an, bei Dörffling u. Franke in Leipzig)

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