Vorwort (Pflanzenerotik)
Bei den Arabern heißt es; ,.Ehret eure Muhme, die Palme!“ Die Dattelpalme ist eine Schwester oder Verwandte des Menschen. Gott schuf sie aus der Erde, die noch von der Menschschöpfung übrig geblieben war. Dieser Baum wurde wegen seiner aufrechten Gestalt und der scharfen Teilung der Geschlechter, wegen seines „Beilagers“ und seiner Befruchtung durchaus anthropomorphisiert. —
Bei unserm deutschen Volke läßt sich die Vorstellung seit alter Heidenzeit auch noch bis heute als lebendig nachweisen. Nach germanischer Mythe entstand aus Esche und Erle das erste Menschenpaar, und die Weltesche Yggdrasill stellt ja die gesamte Menschenwelt dar. In der Oberpfalz läßt man den ersten Menschen von einer Esche kommen; wie man auch in vielen Orten Deutschlands die Kinder aus Bäumen kommen läßt. Es ist dies neben den zwei anderen Vorstellungen (die Neugeborenen kommen aus dem Wasser oder werden von einem Vogel, Storch oder Raben gebracht) die verbreiteste. In Kronenfeld (bei Elberfeld) kommen die Kinder aus hohlen Bäumen, in den Niederlanden aus dem Buchsbaum, in Utrecht aus dem Munnikenboom.
In den Liedern der wandernden Handwerksburschen heißt es noch heute:
Darauf bin ich gegangen nach Sachsen,
Wo die schönen Mädchen auf den Bäumen wachsen.
Manche Orte haben bestimmte „Kinderbäume“, oft Buchen, sogenannte „Kindelbuchen“. In Oberbayern werden sie „Margaretenbuchen“ genannt, da die heilige Margarete die Patronin der Schwangeren ist. Auch Eichen und Linden sowie die Lärchen (z. B. die Lärche beim Dorfe Nauders), galten als Kindelbäume im deutschen Volksglauben. —
Wie kam diese Vorstellung, daß die Pflanzen bezw. die Bäume die Eltern der Menschen seien, zustande? Ich glaube wohl darum, weil die Pflanzen das offenbarste Zeugnis, die direkten Kinder der großen gebärenden Erde waren, sie satiegen aus dem Erdschoße selbst an das Licht der Sonne. Tagtäglich sah der Urmensch den fruchtbaren Mutterschoß sich öffnen und Kinder (Pflanzen) gebären, das große Mysterium enthüllte sich ihm jeden Tag seinen Blicken. So ist denn auch der Vergleich der Erde mit dem Mutterschoß uralt, bei fast allen Völkern gebräuchlich.
Es liegt nicht sehr fern, wenn man nun auch Liebes-und Eheverhältnisse zwischen Menschen und Pflanzen entstehen läßt. Steckte doch in den Pflanzen dieselbe Seele, dasselbe Wesen wie in den Menschen. Auch diese Anschauungen sind vielen Völkern geläufig. So erzählen die Inder, daß ein König sieben Söhne hatte; alle schossen ihre Pfeile nach verschiedenen Richtungen ab und suchten in diesen Richtungen ihre Bräute.
Volksmusik: Volkserotik und Pflanzenwelt
Schlagwort: Jungfrau • Schwestern
Ort: Aargau, Sachsen, Tirol, Wuppertal
Siehe dazu auch:
- Die Waldbäume (Einleitung) ()
- Kan schinnern Baam gibt´s wie an Vugelbärbaam (Mundart, Niederdeutsch und Dialekte)
- Obstbäume (Allgemein)