Vorwort (Pflanzenerotik)
Eine Gleichsetzung geschlechtlicher Vorgänge findet auch bei dem seltsamen Brauche der Nabatäer im fernen Orient statt. Die Nabatäer ließen das Pfropfen der Bäume-(In den Augen dieses Naturvolkes ein sexueller Akt) durch ein schönes kräftiges Mädchen vornehmen, dem während dieser Operation ein Mann auf unnatürliche Weise beiwohnte. Die Inokulation der Liebe ist der Okulierung des Baumes gleichgesetzt. — Auf ähnlicher Anschauung beruht das ekelhafte Zaubermittel, das eine Bußordnung erwähnt: ein Weib wird unfruchtbar, wenn sie den Samen ihres Mannes in einen morschen Baum schüttet. Der Baum ist offenbar der Doppelgänger des Weibes: er empfängt unfruchtbar den Samen des Mannes, so wie sie will.
Es fand also eine innige Wechselbeziehung in Erotik und Geschlechtsleben zwischen Pflanzen und Menschen statt. Es war demnach kein Wunder, wenn man sogar die menschlichen Geschlechtsteile bei den Pflanzen wiederkehren zu sehen glaubte. Uralt ist der Glaube an die menschenähnliche Gestaltung gewisser Wurzeln, die bald den männlichen, bald den weiblichen Geschlechtsteil an sich hatten; in Japan grub man nach derartigen Ingwerwurzeln, in China, Korea sowie Japan suchte man nach ähnlich gestalteten Ginsengwurzeln, bei uns im Westen ist es seit unvordenklichen Zeiten die Alraunwurzel, an deren Stelle man häufig männliche oder weibliche Bryoniawurzeln unterschob.
Uralt ist ferner der Glaube, daß gewisse Orchideen Hoden hatten, andere Arten aber weibliche Geschlechtsteile, ebenso manche Lilien und andere Knollengewächse. — Es war nur ein Schritt weiter, wenn spätere Generationen, die wohl weniger an die realen männlichen oder weiblichen Geschlechtsteile gewisser Pflanzen glaubten, sexuelle und erotische Vergleiche der Liebesorgane mit den Früchten oder auch Blumen gewisser Pflanzen anstellten. Feigen wurden mit dem Penis oder der Vulva, Äpfel mit den Brüsten der Frauen, die paarweisen Pflaumen und Kirschen mit den Hoden, Pfirsich und Aprikose mit der Vulva verglichen. Manche dieser Vergleiche z. B. die der Mandeln und Nüsse gehen in das graue Altertum, nicht bloß der europäischen, auch der ostasiatischen Menschheit zurück. Diese Vergleichungen entspringen also im letzten Grunde der urmenschlichen Vorstellung die Pflanzen mit den Menschen gleichzustellen. — Bedenkt man ferner, daß der erste Lehrsatz kindlicher Volksmedizin war Gleiches durch Gleiches (similia similibus) zu heilen bzw. zu kräftigen, zu fördern, so ergab es sich von selbst, grade diese sexuell gestalteten Wurzeln (z. B. der Orchideen), Früchte (z. B. Äpfel, Quitten, Granate, Mandeln, Feigen) oder Pflanzenkörper (z. B. Alraunwurzel, Phalluspilze) als ganz bsondere Aphrodisiaca, Stimulationsmittel zur Liebe anzuwenden.
Volksmusik: Volkserotik und Pflanzenwelt
Schlagwort: Jungfrau • Schwestern
Ort: Aargau, Sachsen, Tirol, Wuppertal
Siehe dazu auch:
- Die Waldbäume (Einleitung) ()
- Kan schinnern Baam gibt´s wie an Vugelbärbaam (Mundart, Niederdeutsch und Dialekte)
- Obstbäume (Allgemein)