Vorwort (Pflanzenerotik)
Später erst beachtete man die sexuell erregensten Kräfte und Säfte der Blätter, Blüten, Früchte oder Wurzeln anderer Pflanzen, so gewann man eine zweite große Klasse der Aphrodisiaca, die ihren Namen mit besserem Recht verdient. —
Zu dritt tritt der Duft als bedeutsamer Faktor auf. Der Geruch spielte im sexuellen Leben des Urmenschen dieselbe große Rolle wie noch heutzutage beim Tier. Er empfand die verschiedenen Sexualgerüche der Frauen bei weitem stärker als wir, und diese Gerüche waren höchstwichtige Aphrodisiaca. So spielten Pflanzen wie das „Fotzenkraut“ oder jene, die mit Bocks- oder Wanzengerüchen (Achsel- und Schamgerüchen) behaftet sind, Ihre große Rolle. Weißdorn und Geraniumblüte sind für den Mann, Berberize- und Kastanienblüte sind für die Frau haute noch vielfach starke stimulantia. Aber auch Düfte wohlriechender Blumen wie Rosen, Levkoien, Heliotrop sind starke Aphrodisiaca geworden, da sich die Frauen dieser Gerüche gern zu bedienen pflegen. Ja, die Reihe dieser Pflanzen kann eine unbegrenzte sein, da individuelle Anlage, persönliche Erlebnisse bald diese, bald jene Pflanzengerüche zu erotischen stempeln können.
Mantegazza (Hygiene der Liebe S. 73) erwähnt einen Fall: ein sehr gebildeter Freund von ihm, keineswegs sinnlich, war nicht im Stande, einen Parfümerieladen zu betreten, ohne einen Wollustanfall zu bekommen. — Es ist Tatsache, daß der IHeuduft die Individuen sehr verschieden affiziert, auch sexuell. Einen jungen Menschen erregte der Geruch von frischgemähtem Heu so sehr, daß er sich auf einen Heuboden völlig nackt auszog und in einen Heuhaufen onanieren mußte (Anthr. IV. 237). Ein anderer Fall bezieht sich auf einen Apotheker, der da die Dirnen mit Heliotropduft zuvor sich parfümieren ließ. Somit stimmt die Pflege der Wohlgerüche vielfach mit der Pflege der Wollust überein, wie wir das bei den orientalischen Völkern beobachten können.
Wie fest noch heute Sexualität und Erotik der Kulturmenschheit mit der Pflanzenwelt sich verstrickt, mag eine feine Beobachtung Luckas aus seinem Roman „Tod und Leben“ (1907) beweisen: „Unschuldige Mädchen lieben die Blumen deshalb so sehr, weil sie in ihnen Geschlechtsteile ahnen, mit denen man ungefährdet spielen kann“. Und man glaube nur, daß in dem extravaganten Blumenkultus der modernen Zeit z. B. in der weiblichen Orchideenmanie sich ein gut Stück Sinnlichkeit und Erotik der heutigen Kulturmenschheit entladet. Graue Vorzeit reicht der Jetzzeit die Hand. Die Erotik der Menschenseele umspannt ehemals wie jetzt das gesamte All. —
Volksmusik: Volkserotik und Pflanzenwelt
Schlagwort: Jungfrau • Schwestern
Ort: Aargau, Sachsen, Tirol, Wuppertal
Siehe dazu auch:
- Die Waldbäume (Einleitung) ()
- Kan schinnern Baam gibt´s wie an Vugelbärbaam (Mundart, Niederdeutsch und Dialekte)
- Obstbäume (Allgemein)