Es erübrigt noch ein ernstes Wort! Es ist klar, daß das Volk, ein jedes, niedriges wie hohes, hiesiges wie fremdes, nicht immer in seiner dichterischen Ausdrucksweise keusch und züchtig ist und daher auch Reimstücke zu Tage fördert, welche, weil sie das Licht des Tages scheuen, einerseits nur desto mehr am Leben bleiben und andererseits gerade unserm vorgesteckten Ziele gemäß, da sie auch in Westpreußen in nicht kleiner Anzahl vorkommen, nicht unterdrückt werden dürften. Man könnte sie „verstoßene Kinder“ nennen. Das betrifft sowohl den ersten Theil der Lieder, wie auch den zweiten der Liedstücke.

Selbst die Kinderliedchen geben Zeugniß davon, also die Liedchen, welche dem ersten Tugendzustande des Menschen wohl zu Ohren, aber nicht zur Erkenntnis kommen, ja, unter ihnen sogar die Wiegenlieder, die das unschuldige Kind in den süßen und stärkenden Schlaf lullen sollen. Und träfe das älter gewordene Kind eine Schuld, wenn es dieselben nachspräche und nachsänge? Und wäre, wer diese Weisen nach seiner Weise festhielt und zur Verbreitung brachte, weniger schuldlos? Es ist das werthvolle und auch bereits anderweitig zur Feststellung gelangte Vorrecht der volksthümlichen Forscher, daß sie ungestraft vom Baume der Erkenntniß essen dürfen. Man darf nicht prüde sein und muß doch frivol erscheinen.

Allerdings sunt certi denique fines, und diese Grenzen habe ich auch inne gehalten in dem, was ich weise verschwieg, vielleicht dürfte dieses in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift, wo es seinen Platz hat, zum Ausdrucke gelangen. Es erscheint aber fraglich, ob eine solche Zeitschrift einen anderen ober gar weiteren Verbreitungsbezirk hat wie ein Buch. Die Herausgeber von beiderlei Veröffentlichungen wünschen sich doch gewiß den weitesten Bezirk von Lesern.

Hier gab ich aus dem Volke, was des Volkes ist, und theile daher nicht die Bedenken von Drucker und Verleger. Wollte man gerade alles ausschließen, was am Ende wenig oder keinen Witz ober selbst nur geringen historischen Werth darbietet, wollte man, je nach Anschauung,. Veranlagung und Erziehung, bei Seite lassen, was Einzelnen unbedeutend ober unanständig erscheint, wo bliebe da die Volkskunde als Wissenschaft? Dies mag namentlich für die letzten Abtheilungen gelten. Für den ersten Theil jedoch, für die Volkslieder, betone ich, daß es sich, obwohl ihrem Inhalte nicht allzuviel vorwürfe gemacht werden können, gar nicht handelt um ein Gesangbuch für das Volk, sondern um Material für die Freunde der Volkskunde.

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