Vorwort zu „Deutsche Volkslieder mit ihren Original-Weisen“
A Kretzschmer (in: Deutsche Volkslieder mit ihren Original-Weisen)
Die aufgenommenen Lieder sind ferner höchst verschiedener Art indessen lassen sie sich allenfalls unter einige Haupt Abtheilungen klassifizieren in epische Lieder nämlich Romanzen und Balladen in Jäger und Soldatenlieder in Handwerkslieder in lyrisch epische z B Erzählungen so wie endlich in religiöse Tanz und andere lyrische Lieder.
Sie sind aber sämmtlich Volkslieder dh vom Volke ausgegangen naiv frisch und ohne strengen formellen Zusammenhang Ich habe mich möglichst bemüht kein Lied darunter aufzunehmen das einen bestimmten gelehrten Verfasser hat, alle Lieder rühren von Naturdichtern her und nicht solchen nüchternen wie in neuerer Zeit z B Hiller der Korbflechter war sondern von solchen die wahrhaft dichteten ohne es zu wissen daß sie dichteten und die es vielleicht schon lange wieder vergessen hatten daß das Lied von ihnen herrührte als es zunächst von ihren ersten Genossen aufgefaßt und dann sich immer weiter verbreitend bald von dem Volke ganzer Gegenden gesungen ward das aber eben so auch den Verfasser nicht kannte und sich darob nicht bekümmerte welches dagegen das Lied und mit ganzer Seele sang weil es in seinem Innern wiedertönte.
Auf ähnliche Art sind die von mir gelieferten Weisen auch aus dem Volke ihm unbewußt aber dessen ganze Seele berührend entstanden wie die Worte naiv und ohne strengen gelehrten Zusammenhang aber noch immer seit Iahrhunderten gleich frisch rührend und einfach Die Melodie Tonweise in der Zeit ist Sache des Gemüths des Geistigen in uns also ewig wie der Geist selbst Die Harmonie gleichzeitig erklingende nahe Töne also Ton weise in dem Raum ist dagegen Sache des Irdischen in uns des Verstandes und wechselnd wie alles Irdische und eben so vergänglich-
Darum bleibt eine reine selbstständige keiner Harmonie bedürfende Melodie immer frisch sie ergreift noch das menschliche Gemüth nach Iahrhunderten wie zur Zeit ihrer Entstehung Darum ist aber auch das zugleich auf Harmonie basirte Lied und dünke es uns im ersten Augenblick auch noch so schön nach einigen Iahren vergessen und wir begreifen nicht wie es uns jemals hat gefallen können Der Verfasser einer solchen selbstständigen Volks Weise Componist kann man ihn nicht nennen denn was versteht er von Composition singt sich die Weise so einfach hin wie er sie fühlt und eben dies Gefühl sagt ihm daß seine Melodie entweder gar nicht oder höchstens nach der oberen oder unteren Dominante ausweichen darf nach beiden aber nicht zugleich in einem Liede und weniger noch nach andern Tonarten worin er auch ganz recht hat denn lein echtes Volkslied thut dies
Volksmusik: Volkslied-Forschung - Verschiedenes
Ort: Kuhländchen, München, Niederrhein, Schweiz
Siehe dazu auch:
- Aus dem Tagebuch des Varnhagen von Ense (1844) (Politische Lieder)
- Ausländer Menschen niederen Grades? ()
- Bedeutung des Spiels ()
- Betrifft „Hamburger Swing-Kreise“ (Edelweißpiraten)
- Das alte Volkslied von der Besiegung der Seeräuber Störtebeker und Gödeke Michael ()
- Das Attentat des Bürgermeisters Tschech vom 26. Juli 1844 ()
- Das Bebersche Lied von 1848 (Allgemein)
- Das Lied vom treuen Robert Blum 1849 ()
- Das Ottolied ()
- Denkst du daran mein tapferer Lagienka (Hintergrund) ()
- Der alte Gewerkschafter Xaver – Anekdote (Weberlieder)
- Der Auszug nach Weiler (1848) ()