Vorwort zu „Deutsche Weihnachtslieder“ (Simrock)
Karl Simrock (in: „Deutsche Weihnachtslieder“ (Eine Festgabe))
Da droben auf dem Berge, da wehet der Wind,
Da sitzt die Maria und wieget ihr Kind.
Sie wiegt es mit ihrer schneeweißen Hand,
Sie braucht dazu kein Wiegenband.
Ach Joseph, lieber Joseph mein,
Ach hilf mir wiegen mein Kindelein.
„Wie kann ich dir denn dein Kindlein wiegen?
Ich kann ja kaum selber die Finger biegen“.
Als die Krippe aus der Kirche verschwand, stellte man. nach übereinstimmenden Berichten aus dem 16. Jahrhundert die Wiege mit der Puppe, die das Kind vorstellte, vor den Hochaltar, oder wohl gar auf den Altar selbst, während Kinder und Alte Wiegenlieder sangen, Mädchen und Jünglinge umhertanzten. Das kann Entartung sein.
Jahrhunderte vorher hatte man die geistlichen Spiele aus den Kirchen verwiesen, weil Maria Magdalena als reizende Sünderin üppige Lieder sang und tanzte und der Quacksalber als lustige Person nicht reinen Mund hielt. Dennoch spielt Luther auf die Sitte des Kindelwiegens ohne Widerwillen an, ja eher mit Wohlgefallen. Er sagt in seiner Bearbeitung des Liedes: Vom Himmel hoch da komm ich her:
Davon ich allzeit fröhlich sei
Zu springen, singen immer frei
Das rechte Susaninne schon
Mit Herzenlust den süßen Ton.
Das unserm Eia popeia ähnliche Susaninne ist den Liedern entnommen, die beim Kindelwiegen gesungen wurden, was vermuten lässt, dass auch das Springen wie das Singen Luthern dazu gehörte. Erst seine Schüler suchten die Sitte aus der Kirche zu verdrängen. Doch hat sie sich in katholischen Ländern hier und da noch jetzt erhalten und selbst in den evangelischen sind bis aus sehr junge Zeiten Spuren ihres Fortbestehens nachgewiesen.
Wenn bei den Kindelwiegeliedern, welche wir ausheben, Alles das wirklich geschah, was darin erwähnt wird, so waren sie schwerlich für die Kirche bestimmt, wo man das Speisen, Tranken und Baden des Kindes, geschweige das „Feuerchen- Stochen“ zum „Müslein-Kochen“ wohl nicht zugelassen hätte. Bei der Ausstellung der Krippe außerhalb der Kirche konnte das kaum Anstoß geben. Damit stimmt auch, dass diese Lieder in die Weihnachtsspiele, die so genannten Krippchen, mit aufgenommen wurden.
Vor der Krippe mögen überhaupt die meisten Weihnachtslieder gesungen sein. Ich denke sie mir auch als die Bühne, auf welcher die Weihnachtsspiele ursprünglich aufgeführt wurden. Nach Weinhold 87 wurden im südlichen Deutschland Krippen in jedem katholischen Hause aufgebaut. Junge Burschen des Dorfs oder der Nachbarschaft gingen von Haus zu Haus, dramatische Gesänge, welche den Übergang aus den Liedern in die Spiele bildeten, gegen eine kleine Gabe vorzutragen.
Volksmusik: Volksliedbücher, Volksmusik Praxis
Siehe dazu auch:
- Allgemeines Schweizer Liederbuch (Vorwort, 1828) ()
- Allgemeines Schweizer Liederbuch (Vorwort, 1833) ()
- Als der Großvater die Großmutter nahm (Auflage 1922) ()
- Die Bedeutung des Liedes für die Auswanderung (Auswandererlieder)
- Einleitung: Demokratische Volkslieder ()
- Geschichtliche Entwicklung der Heimathymnen ()
- Kinderlieder ()
- Ministerium stoppt Bundeswehr-Liederbuch ()
- Mitteilung über das niederdeutsche Volkslied „Burlala“ (=Peterlein) ()
- Neue Soldaten- und Marschlieder (1916) (Allgemein)
- Schlesische Volkslieder (1842): Vorwort ()
- Schlesische Volkslieder: Vorwort von Ernst Richter ()