Vorwort zu „Deutsche Weihnachtslieder“ (Simrock)
Karl Simrock (in: „Deutsche Weihnachtslieder“ (Eine Festgabe))
Diesen sind auch unsere Lieder verwandt, welche das sehnliche Verlangen nach der Ankunft des Heilands aussprechen. Das erste, um die Sehnsucht des Heidentums nach Erlösung zu schildern, führt uns zu den Altvätern, die in der Vorhölle die Ankunft des Heilands erwarten, wenn er die Pforten der Hölle zu brechen hinabsteigen wird. Denn wie der Advent bildlich die ganze Zeit vor der christlichen Offenbarung bedeutet, so will das Kirchenjahr jene sehnsüchtige Erwartung im Gemühte der Gläubigen erneuen.
Die beiden folgenden Lieder beziehen sich schon auf den letzten Sonntag im Advent, der im kirchlichen Kalender Rorate genannt wird mit Hindeutung auf die Worte der Schrift, mit welchen auch unser drittes, nicht altes Lied beginnt: „Tauet, Himmel, den Gerechten, Wolken regnet ihn herab, öffne dich Erde und sprieße uns den Erlöser hervor!“ Stärker kann sich die Sehnsucht nach dem Erlöser nicht ausdrücken, als indem Himmel und Erde und zwischen beiden die Wolken beschworen werden, ihn aus sich hervorzubringen. Zur kirchlichen Feier des Advents gehörten auch die so genannten Roratemessen, die noch jetzt in katholischen Ländern in aller Frühe gehalten werden.
Die Erinnerung an die Verkündigung als eine Verheißung, die sich jetzt erfüllen soll, kann in der Zeit der Erwartung nicht fehlen, obgleich ihr im Frühling ein anderes Kirchenfest gewidmet ist. Selbst der Gottesdienst pflegte am vierten Adventsonntage auf die Verkündigung hinzudeuten, indem der Diakon das Evangelium Missus est Angelus vortrug oder gar ein Priester von Kerzenträgern und Weihrauchministranten begleitet es absang. Nach Martene antwortete zu Besancon dem Diakon, welcher die Worte des Engels vortrug, eine schön gekleidete Jungfrau in den Worten der h. Maria. Vgl. Weinhold 46. Daher behandeln auch Adventlieder die Verkündigung.
Sie stammen aus sehr verschiedenen Zeiten; zum Teil sind sie aus dem Volke selbst entsprungen, das sich dabei gerne an bekannte Volkslieder anschloss, welche nur geistlich umgebildet wurden. Dahin gehört selbst das doch so eigentümlich herrliche Lied von der klagenden Menschheit, das eine Melodie begleitet, welche Weinhold herzgreifend nennt. Ich halte es für sehr alt: die Reime haben oft noch ganz althochdeutschen Charakter, indem sie mit einem Konsonanten anheben, ans welche z. B. in dem Reime umschatten: Worten ein uns ganz ungewohntes Gewicht liegt.
Den Übergang von den Adventliedern zu den eigentlichen Weihnachtsliedern bilden einige mehr dogmatisch gehaltene Lieder, von welchen das erste sich einem lateinischen Kirchenhymnus anschließt. Noch das erste unsrer Weihnachtslieder stimmt in diesen Ton. Den dogmatischen folgen zwei andere, welche eine Übersicht über die ganze evangelische Geschichte gewähren. Das erste hat vielleicht nur zwei ganz alte Strophen; doch halte ich alle folgenden für keineswegs unglückliche Zudichtungen.
Volksmusik: Volksliedbücher, Volksmusik Praxis
Siehe dazu auch:
- Allgemeines Schweizer Liederbuch (Vorwort, 1828) ()
- Allgemeines Schweizer Liederbuch (Vorwort, 1833) ()
- Als der Großvater die Großmutter nahm (Auflage 1922) ()
- Die Bedeutung des Liedes für die Auswanderung (Auswandererlieder)
- Einleitung: Demokratische Volkslieder ()
- Geschichtliche Entwicklung der Heimathymnen ()
- Kinderlieder ()
- Ministerium stoppt Bundeswehr-Liederbuch ()
- Mitteilung über das niederdeutsche Volkslied „Burlala“ (=Peterlein) ()
- Neue Soldaten- und Marschlieder (1916) (Allgemein)
- Schlesische Volkslieder (1842): Vorwort ()
- Schlesische Volkslieder: Vorwort von Ernst Richter ()