Vorwort zu „Deutsche Weihnachtslieder“ (Simrock)
Karl Simrock (in: „Deutsche Weihnachtslieder“ (Eine Festgabe))
Unser Büchlein will ein Bild des deutschen Weihnachtsfestes, wie es in älteren Zeiten gewesen und in neuern geworden ist, aus dem Spiegel der Dichtkunst zurückstrahlen lassen. Es fasst dabei mehr die kirchliche Feier ins Auge, ohne gerade den Zweck der Erbauung zu verfolgen. Eher ließe sich seine Tendenz als eine kulturhistorische bezeichnen.
Indem es das Weihnachtslied durch seine verschiedenen Phasen begleitet, stellt sich zugleich die deutsche Christfeier in den drei Epochen, welchen unsere drei Bücher entsprechen, nach verschiedenen Auffassungen und Zeitspiegelungen dar.
Unser Erstes Büchlein enthält das Weihnachtslied der ältern Kirche, soweit es dem volksmäßigen Charakter wenigstens noch darin entspricht, dass es keinen bekannten Verfasser hat. Das zweite Buch ist dem evangelischen Kirchenliede gewidmet, dessen Verfasser bekannt sind, das auch sonst schon zur Kunstpoesie neigt, ob es gleich die Einfachheit und Herzlichkeit des Volksgesangs noch keineswegs verleugnet. Das dritte Buch gehört dem Weihnachtslied neuerer Dichter. Der kirchliche Charakter herrscht hier nicht mehr vor; die Poesie legt allmählich die typischen Formen ab, das Lied gehört mehr dem einzelnen gläubigen Gemüt als dem Chorgesang der Gemeinde: darum durfte hier der konfessionelle Unterschied unbeachtet bleiben.
Dem ersten Buch konnten wir keine feste zeitliche Schranke geben, da der volksmäßige Charakter der Lieder sich noch weit über die Reformation hinaus erhielt. Auch dem dritten fehlt sie gegen das erste hin, weil die Lieder jener bekannten Verfasser, die wir dort ausscheiden mussten, nur hier unterzubringen waren.
Volle Strenge der Anordnung wird man bei der Mannigfaltigkeit und Fülle der Erzeugnisse nicht verlangen. Gegen die Unterstellung muss sich aber der Herausgeber verwahren, als hätte er sich bei Auswahl der Lieder durch konfessionelle Tendenzen bestimmen lassen. Es war der Wunsch des Herrn Verlegers, auf das dem Volkslied verwandtere Weihnachtslied der ältern Kirche, in welchem sich das volkstümliche Fest charakteristischer spiegelt, und das überdies seit Jahrhunderten vernachlässigt und jetzt noch zu wenig erforscht und zugänglich gemacht ist, sollte das Hauptgewicht gelegt werden; das neuere mehr kunstmäßige Kirchenlied, von dem vortreffliche Sammlungen zu Gebote stehen und das man aus jedem Gesangbuche kennen lernen kann, nur in einzelnen ausgezeichneten Liedern vertreten sein. Hätte ja doch der hier quellende unerschöpfliche Reichtum nicht in unser armes Büchlein hinüber geleitet werden können.
Volksmusik: Volksliedbücher, Volksmusik Praxis
Siehe dazu auch:
- Allgemeines Schweizer Liederbuch (Vorwort, 1828) ()
- Allgemeines Schweizer Liederbuch (Vorwort, 1833) ()
- Als der Großvater die Großmutter nahm (Auflage 1922) ()
- Die Bedeutung des Liedes für die Auswanderung (Auswandererlieder)
- Einleitung: Demokratische Volkslieder ()
- Geschichtliche Entwicklung der Heimathymnen ()
- Kinderlieder ()
- Ministerium stoppt Bundeswehr-Liederbuch ()
- Mitteilung über das niederdeutsche Volkslied „Burlala“ (=Peterlein) ()
- Neue Soldaten- und Marschlieder (1916) (Allgemein)
- Schlesische Volkslieder (1842): Vorwort ()
- Schlesische Volkslieder: Vorwort von Ernst Richter ()