Vorwort zu „Deutsche Weihnachtslieder“ (Simrock)

Karl Simrock (in: „Deutsche Weihnachtslieder“ (Eine Festgabe))

Übrigens kehren Verheißungen unter dem Namen von Gelfsprüchen oder Ruhmreden in unserer ältesten Poesie vielfach wieder; so im Beowulf und im Waltharius, ja sogar in einem Gedichte des karolingischen Kreises, das Michel herausgegeben und Keller in Prosa übersetzt hat. Das Großsprechen finden wir jetzt unanständig, damals aber gehörte es zum Stile des Epos, dass der Held sich berühmte; nur musste dem Ruhm die Tat auf dem Fuße folgen.

Haben wir uns wirklich vom Weihnachtsfest so weit verirrt, als es den Anschein hat? Von dem heidnischen ist die Abschweifung wohl zu rechtfertigen, und bei der Verehrung des Christkindleins pflegte man auch, wie unsere Lieder zeigen, gute Vorsätze zu fassen, zunächst auch für das neue Jahr, obgleich sie dem ganzen Leben gelten durften.

Vielleicht hat auch unsere Adventzeit im Heidentum schon ihr Gleichnis gehabt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass unsere Martinsfeuer, die sich von Belgien bis an die Ostsee zogen, gezündet wurden, um die freudige Erwartung baldiger Wiederkehr des Lichtes auszudrücken. An der Stelle des Martinfestes stand in heidnischer Zeit das große Herbstopfer zum Dank für den Segen der Ernte, zugleich ward der Winter empfangen, den man wohl noch jetzt nach dem Sprichwort

St. Martin
Macht Feuer im Kamin

mit diesem Tage beginnen lässt.

Zum Empfange des Winters gehörten nun jene auf den Höhen gezündeten Feuer, die sich zu den Weihnachtsfeuern wohl nur als ein Vorspiel verhielten. Letztere waren, den Johannisfeuern entsprechend, von sehr weiter Verbreitung und noch jetzt mag man in den Lichtern des Weihnachtsbaumes ihren Widerschein erkennen. Für Vorspiele der Weihnachtsfeier halte ich auch die Umzüge in den Adventnächten sowie beim Martins- und Nikolausabend, bei welchen noch Wesen des, alten Heidentums zu erscheinen pflegten, die auch in den Zwölf Nächten Umzüge hielten, entweder nur in der Phantasie des Volks, das den alten Glauben noch nicht ganz vergessen hatte, oder in Vermummungen dargestellt, welche nach der Volkssitte von jeher zur Feier des Tages gehört hatten.

Dem nordischen, also auch dem deutschen heidnischen Weihnachtsfest entsprachen bei den Römern die Saturnalien, die auf die Entstehung des christlichen Weihnachtsfestes nicht ohne Einfluss bleiben sollten.
Auch die Saturnalien hatten Bezug auf den Wechsel des Jahrs, die Verjüngung der Natur und das mit der Sonnenende wiederkehrende Licht. Das schon keimende frische Saatengrün schien auch dem kommenden Jahre neue Segensfülle zu verheißen. Mit dem Feste des Gottes, der in der goldenen Zeit unter den Menschen gelebt haben sollte, schien diese selber zurückzukehren: der Unterschied der Stände, von dem jene selige Zeit noch nichts gewusst hatte, war aufgehoben: der Sklave trug das Zeichen der Freiheit, den Hut; der Herr legte ihm seine Kleider an und bediente ihn bei der Tafel. Zugleich ruhten die Gerichte, alle Strafe blieb ausgesetzt, Krieg und Feindschaft schwiegen.

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