Vorwort zu „Deutsche Weihnachtslieder“ (Simrock)

Karl Simrock (in: „Deutsche Weihnachtslieder“ (Eine Festgabe))

Odin sendet Heimdal, den Wächter der Brücke, über welche beim Weltuntergange die Riesen einbrechen werden, die jetzt in der Unterwelt weilende Göttin zu fragen, was sie von den Weltgeschicken wisse und ob das Ihr Widerfahrene der Welt und den Göttern Unheil bedeute. Diese Sendung hat keinen Erfolg, Idunn weint und schweigt. Das ganze Gedicht ist in einem ahnungsvollen Tone gehalten und erinnert uns an die wehmütigen Gefühle unserer eigenen Brust, wenn wir im Herbst die Blätter fallen und fallen sehen. Wie sehr das bunte Farbenspiel noch die Augen ergehe, die herbstliche Empfindung tut Niemand wohl.

Doch erinnern wir uns dann, dass der Mensch nicht bloß den Sommer, auch die Natur selbst überlebt und so bietet uns die Hoffnung eines neuen ja ewigen Frühlings Trost und Stärkung. War dem Heiden dies letzte Bewusstsein, das ihm keineswegs gänzlich fehlte, nur in schwächerm Maße verliehen, gehörte es nicht dem ganzen Volle, nur den Auserwählten, die auf dem Schlachtfelde fielen, so musste ihn die Wiederkehr der Sonne beim Julfest mit um so größerer Freude erfüllen, und dies mag der Grund sein, warum die Wintersonnenwende allen heidnischen Völkern eine so heilige Zeit war und sich auch bei den Germanen auf eine so lange Frist erstreckte.

Damit das Heidnische in der Vorrede zu einem Büchlein, das einem christlichen Feste gewidmet ist, nicht zu sehr überwuchre, übergehe ich die vielen heidnischen Nachklänge, die in den Volksbräuchen der christlichen Zeit noch hervortreten.

Ich will Meinen Lesern die Umzüge Wodans und Frickas oder Holdas und Berchtas nicht schildern, wenn sie an der Spitze des wilden Heeres durch die Lüfte brausen; ich will sie mit den deutschen Volksgewohnheiten nicht hinhalten, indem ich ihnen den Schimmelreiter, den Erbsenbären und den Haferbräutigam vorführe; der Klapperbock, die Habergaiß und die Pudelmutter soll Niemand erschrecken, so wenig als das Getöse der Posterlijagd und der Rumpelnächte.

Am Wenigsten möchte ich den Leser auf Polse und Mehlbrei, oder Knödel und Heringe, Pelz und Mohnstriezel bitten, oder welchen andern Namen die herkömmliche altheidnische Speise des Festes in einzelnen Landschaften führe. Der Eberkopf, der noch in England zu Weihnachten das Hauptgericht bildet, ist soviel ich weiß von deutschen Tafeln verschwunden. Es werden also auch keine Gelübde mehr darauf abgelegt. Nur von der Sitte, bei dem Eberopfer die Minne der Götter zu trinken, hat sich in unseren Toasten eine kaum noch erkennbare Spur erhalten.

Siehe dazu auch:

Volksmusik nach Themen

Jazz in Deutschland - Kriegserziehung im Kaiserreich - Kriegslieder - Lied und Erster Weltkrieg - Linktipps - Neuigkeiten - Volkslied-Forschung - Verschiedenes - Volksliedbücher - Volkslieder - Volksmusik Praxis -