Vorwort zu „Deutsche Weihnachtslieder“ (Simrock)
Karl Simrock (in: „Deutsche Weihnachtslieder“ (Eine Festgabe))
Höheres bildet
Die Kunst nicht, die göttlich geborene,
Als die Mutter mit ihrem Sohn.
Die bildende Kunst übte sich zuerst und übt sich noch heute in den so genannten Krippchen, Darstellungen der demütigen Geburt des Herrn im Stalle, neben Ochs und Eselein, von der Mutter und dem frommen Joseph gepflegt, von Engeln in langen Gewändern umhüpft und umspielt. Von dem Kinde ging in den altdeutschen Gemälden alles Licht aus, denn wenn auch der Mond am Himmel stand, so empfing doch Alles seine Beleuchtung offenbar nur von dem göttlichen Kinde.
Zuweilen streckten auch die Hirten schon verlangend die Arme aus nach der so lange verheißenen, sehnsüchtig erharrten neuen Sonne der Welt; öfter sah man sie, noch draußen auf dem Felde ihre Herden weiden;. aber schon hat sich die Wolke aufgetan. aus der ihnen das gloria in excelsis erschallen soll. Dann sah man wohl auch von Einer Seite schon die heiligen drei Könige auf Mäulern und Kamelen heranziehen, dem Kinde Gold, Weihrauch und Myrrhen zu opfern. Solche bildliche Darstellungen sind in katholischen Ländern noch jetzt herkömmlich; im südöstlichen Deutschland pflegte in jedem Bauernhause eine Krippe gebaut zu werden. Anfangs wurden sie wohl in der Kirche selbst, später nur in deren Nachbarschaft oder bei dem sinnigen Künstler selbst aufgestellt und von Kindern und Eltern gerne besucht. Am Niederrhein gebraucht man das Wort Krippchen wohl noch im Sinne von Komödie, zum Beweise, dass auch das deutsche Schauspiel, das zuerst ein geistliches war, hier seinen Ausgang genommen hat. Das Weihnachtsspiel, aus dem sich auch viele unserer Weihnachtslieder abgelöst haben, ist nicht jünger als das Osterspiel: aus diesen beiden aber sollte das altdeutsche Schauspiel hervorgehen.
Als die Krippen noch in den Kirchen selbst erbaut wurden, entsprang wohl die Sitte des Kindelwiegens, auf das sich mehrere unserer Lieder beziehen. Maria sitzt bei der Wiege und fordert Joseph auf, ihr das Kindlein wiegen zu helfen:
Joseph, lieber Joseph mein,
Hilf mir wiegen mein Kindelein,
Dass Gott dein Lohner müsse sein
Im Himmelreich,
Du reine Magd Maria!
worauf Joseph entgegnet:
Gerne, liebe Muhme mein,
Ich will dir wiegen dein Kindelein,
Dass Gott mein Lohner müsse sein
Im Himmelreich,
Du reine Magd Maria!
Davon hat sich im Volkslied eine durch das Weihnachtsspiel vermittelte halb drollige Erinnerung erhalten, die jedoch auch rührender Auffassung fähig ist. Wir werden aus der Kirche ins Freie verletzt:
Volksmusik: Volksliedbücher, Volksmusik Praxis
Siehe dazu auch:
- Allgemeines Schweizer Liederbuch (Vorwort, 1828) ()
- Allgemeines Schweizer Liederbuch (Vorwort, 1833) ()
- Als der Großvater die Großmutter nahm (Auflage 1922) ()
- Die Bedeutung des Liedes für die Auswanderung (Auswandererlieder)
- Einleitung: Demokratische Volkslieder ()
- Geschichtliche Entwicklung der Heimathymnen ()
- Kinderlieder ()
- Ministerium stoppt Bundeswehr-Liederbuch ()
- Mitteilung über das niederdeutsche Volkslied „Burlala“ (=Peterlein) ()
- Neue Soldaten- und Marschlieder (1916) (Allgemein)
- Schlesische Volkslieder (1842): Vorwort ()
- Schlesische Volkslieder: Vorwort von Ernst Richter ()