Die verräterischen Weiberohren


in:

mp3 anhören"Die verräterischen Weiberohren" zum Anhören, als Download, als Buch oder als CD bei Amazon

Der Stier tat an die Seinen eine kurze Vermahnung und sprach: »Meine allerliebsten Brüder sehet, wie stolz und übermütig sich jene wider uns bereitet haben, denn sie gedenken, wegen ihrer Hoffahrt, mit uns zu fechten. Wir aber wollen mit ihnen, von unseres Vaterlandes und Lebens wegen, dieselben beide zu erhalten, streiten. Deshalb ermuntert euch und seid Männer; denn ihr die Götter, welche euch zuvor ungnädig gewesen, euch mit dem, womit sie gestillet sein wollten, geneigt und gnädig gemacht habet.

Werdet ihr euch als die Männer erzeigen, so wird euch dieselbe Mannheit nicht anders sein, als eine Mauer; denn die Götter stehen den Starken und Kühnen bei, die Verzagten aber pflegt die Furcht zu plagen. Werdet ihr fliehen, so entfliehet ihr gewißlich dem Tode nicht, sondern müßt denselben gedoppelt empfinden. Der eine Tod wird sein, wenn ihr eure Kinder vor eurem Angesichte werdet sehen ermorden, dann, wie sie zu den Brüsten euerer Weiber junge Hunde, wie sie sich vermessen, legen werden, welches euch ein überschmerzlicher Tod sein wird. Und endlich werden sie es mit euch, als den Verzagten, gut machen haben. Aber diesem zuvorzukommen, wollen wir lieber allen Fleiß anwenden, und sie allesamt, bis auf einen Mann, tot schlagen. Solches wird uns Ehre, Freude und Ruhm bringen. Ich weiß es gewißlich, daß wir heute das Sotzer Herzogtum erlangen.«

Wlatislaw aber rückte mit seinem Volke stracks wider die Prager. Und als er gesehen, daß sie sich von der Stelle nicht verwendeten, hieß er die Seinen ein wenig stille halten, stellte sich vor ihnen, als hätte er mit den Feinden ein Mitleiden. Und damit er seines Volkes Mannheit ermunterte, sprach er: »o ihr armen Leute und verzagten Herzen, diese Höhe, die ihr aus Furcht eingenommen habt, wird euch gar wenig helfen.«

Wandte sich hiermit zu den Seinen und sagte: »seht ihr nun, daß sie uns in der Ebene nicht begegnen dürfen? Schauet doch, mich bedünkt, sie wollen allbereit die Flucht geben, und sobald wir nur etwas näher an sie kommen, werden wir mit niemand zu treffen haben. Ich glaube, sie haben sich daselbst mit den Füßen angebunden. Werden sie nun unserer erwarten, so schlaget sie nicht mit den Schwertern, sondern tretet sie allein mit Füßen, gleich wie eine Stoppel, damit ihr weder euch selbst, noch eure Schwerter und Pfeile, mit dieses verzagten Volkes Blute nicht verunreiniget. Nun lasset eure Vögel, die ihr habt, fliegen, mit diesen wollen wir sie vollends zu Tode schrecken.«

Und als sie dieses taten, da wurde von den Vögeln der Sonnenschein nicht anders, wie von einer dunkeln Wolke verfinstert. Nachdem dies der unerschrockene Stier gesehen, sprach er: »meine liebe Ritter, ich weiß es gewißlich, daß ihr siegen werdet. Und im Falle es sich begäbe, daß ich auf der Wahlstatt sterben müßte, so bitte ich, lasset mich auf dieser Höhe begraben und machet mir ein Grab, welches eine lange Zeit währen kann zum Gedächtniß; denn ich heute allhier viel Sotzer töten und den Wlatislaus, ihren Herzog, vor euren Augen mit meinem Schwerte erlegen muß.«

Mittlerweile kamen sie gar nahe an einander. Und als der Stier die Gelegenheit ersah, schrie er die Seinen an und sprach: »nun ihr, meine Lieben, schlaget nun getrost drein.« Sprengte hiermit unter den Feind. Die Prager folgten ihm nach, nicht anders, wie Bienen ihrer Weisel nachzufliegen pflegen. Also sprengten sie die Sotzer von der Höhe an und schlugen alles darnieder, was ihnen unter die Hände kam. Der Stier arbeitete mit seinem Schwerte nicht anders, als wenn einer mit der Sense Gras hiebe; also kehrte er dem Feind den Staub von den Köpfen, daß ihnen das Gesicht und das Gehör verging.

Die Schlacht währete lange und der Sieg wankte von einer Seite auf die andere. Da hörete man von dem Volke ein Geschrei, ein Geklirre von Schwertern und ein Getümmel der Rosse. Und unter dem Haufen der schönsten Reisigen und gewappnetsten Kriegsleute ersahe der Stier einen Mann, von schöner Gestalt, in einem zierlichen Harnisch, welcher einen vergüldeten Helm auf seinem Haupte hatte und auf den die andern Achtung gaben. Verstund derhalben wohl, daß es der Wlatislaw sein müßte und gedacht‘ ihm beizukommen. Aber seine Ritterschaft beschützte ihn dermaßen, daß der Stier wohl in zweien Stunden nicht zu ihm kommen konnte.

Mittlerweile aber, ehe denn er sich zu ihm arbeitete, mußten in die hundert Sotzer von seinem guten Schwerte niederfallen; dennoch entwich der Wlatislaw vor dem Stier und verbarg sich hinter die andern. Da schrie ihn der Stier an und sprach: »ich sehe dich gar wohl, du blutgieriger Tyrann; du bist derselbe, der du deine Vögel mit unserem Fleische hast speisen wollen. Du sollst kurz erfahren, daß du deinen Vögeln selbst zur Speise werden mußt; ich will bald mein Schwert mit deinem Blute tränken und die fliegenden Vögel mit deinem Fleische speisen.«

Drang also auf ihn zu, hieb ihm seinen Schild entzwei und in dem andern Streich spaltete er ihm den Kopf, samt dem Helm, von einander, daß er von dem Roß auf die Erden tot nieder fiel. Bald machten sich viele der Sotzer über den Stier, hieben, stachen und schossen auf ihn los und fügten ihm viel Schaden zu. Die Prager retteten ihn auf’s beste, aber sie schafften wenig. An diesem Orte lag ein großer Haufen der Ermordeten, auf dieselben fiel der Stier auch nieder und starb. Wer ihn aber tödlich verwundet hatte, kann niemand eigentlich wissen. Also blieb des Neklans Volk viel auf der Wahlstatt, von des Wlatislaus sind ihrer wenige entkommen.

Der erste aus den Flüchtlingen ist der obgedachte Straba gewesen, welcher durch Lehr und Unterweisung seiner Stiefmutter heim kam. Er fand sein Weib gleich mit dem Tode ringend, hatte an ihrer Brust einen großen Schaden, welchen sie von einem Schwerte empfangen. Er besah den Schaden mit Fleiß und konnte spüren, daß er ihr denselben zugefüget; verwunderte sich darüber und sprach: »ich will noch besser auf den Grund kommen;« zog hiemit beide Ohren aus der Tasche, hielt ihr dieselben an den Kopf und befand also gründlich, daß sein Weib derjenige Feind war, welchen er in der Schlacht geschlagen; und sie verschied zur selben Stunde.

Also konnte Straba verstehen, daß sein eigen Weib den Pragern zu Hülfe wider ihn gezogen war; denn sie war der Geburt von Prag und hatte in des Neklans Herzogtum viel Freundschaft. Deswegen sie denn ihren Freunden zu Hülfe ziehen und ihren Mann heimlich umbringen wollen.

Nach solchem Siege wurden alle die Leute, welche bei den Erschlagenen gefunden, in die kleine Stadt Prag geführt und daselbst unter die Kriegesleute zugleich geteilt. Auf den Morgen begrub man der Freunde und Feinde Körper auf der Wahlstatt. Aber dem Stier wurde auf Befehl Neklan’s ein Grab an dem höchsten Orte, über Cheinow, bei einer Eiche, köstlich und herrlich zubereitet, welcher Ast bis auf den heutigen Tag die Eiche des starken Ritters genannt wird.

Seiten: 1 2 3 4


Liederthema: Allgemein

Schlagwort: |
Ort: ,

Medien: