Graf Walther und Helgunda (Krakau, Wiślica vor 1253)
in:
"Graf Walther und Helgunda (Krakau, Wiślica vor 1253)" zum Anhören, als Download, als Buch oder als CD bei Amazon
Einige Zeit hernach suchten Walther und Helgunda Gelegenheit zu entfliehen und fanden sie. An dem bestimmten Tage entrannen sie; aber als sie an die ihnen erwünschten Ufer des Rheins kamen, verlangten die Schiffer für die Überfahrt eine Mark Goldes, welche sie erhielten, aber von dem Übergange ihn abzuhalten suchten, bis der Sohn des Königs käme.
Walther aber, merkend aus dem Verzuge die Gefahr, bestieg bald sein Roß und befahl der Helgunda, sich hinter ihn zu setzen, und in den Fluß springend, setzte er schneller als ein Pfeil über. Als er sich kaum von dem Fluße Rhein entfernt hatte, hörte er ein Geschrei hinter seinem Rücken von dem ihn verfolgenden Alemannischen Prinzen, der mit heftiger Stimme rief: „Treuloser, mit der Tochter des Königs entflohst du heimlich, und ohne Zoll zu entrichten setztest du über den Rhein! Halte an deine Schritte, halt, dass ich mit dir einen Zweikampf beginne und wer Sieger sein wird, soll das Pferd des Besiegten und die Waffen und Helgunda haben.“
Diesem Geschrei antwortete Walther unerschrocken und sprach: Was sprichst du von der Königstochter? die Mark Goldes habe ich gezahlt und die Tochter des Königs nicht durch Gewalt erhalten, sondern freiwillig mir folgen wollend, habe ich sie in meiner Gesellschaft.
Dies gesprochen, ging einer auf den andern mit eingelegter Lanze erbittert los und als diese zersplittert, zogen sie die Schwerter und übten mannlich die Kräfte. Und weil der Alemanne, von der Gegenseite kommend, Helgunden im Auge hatte, ward er so durch ihren Anblick ermutigt, daß er den Walther zum Weichen nötigte, bis dieser, zurückschreitend, auch die Helgunda erblickte. Kaum erblickte er sie, als er von Scham und großer Liebe zu ihr ergriffen, mit gesammelten Kräften auf den Alemannen stark eindrang und ihn sogleich tötete. Pferd und Waffen desselben nahm er, setzte seine Reise fort und kam mit doppeltem Triumpf gekrönt bei seiner Helgunda wieder an.
Auf seine Burg Tyniez gelangt, nach glücklich vollbrachtem Abentheuer, ergab er sich einige Zeit lang der Ruhe, um sich zu erholen. Da erfuhr er aus den Klagen der Seinen, daß Wislaw der Schöne, Herrscher von Wislicz, in seiner Abwesenheit seine Leute beleidigt habe. Dies drückte schwer sein Gemüt, er suchte Ursachen, um sich an Wislaw zu rächen; endlich griff er ihn an, besiegte ihn und legte den Besiegten, wie oben gesagt worden ist, in einen tiefen Turm des Schlosses Tyniez, um ihn als Gefangenen zu bewahren.
Schlagwort: |

