Graf Walther und Helgunda (Krakau, Wiślica vor 1253)


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Einige Zeit darauf aber, um kriegerische Abenteuer zu suchen und nach ritterlicher Sitte zu leben, durchirrte er entfernte Gegenden. Und als so das Jahr schon zweimal seinen Kreislauf vollendet hatte, ward Helgunda über die Abwesenheit ihres Gemahls nicht gering mißmütig und dahin gebracht, einer ihrer vertrauten Kammerjungfrauen mit niedergeschlagenen Augen zu sagen: »ich bin nicht Witwe und nicht verheiratet;« und dabei dachte sie an diejenigen, welche mit tapferen und streitbaren Männern ehelich verbunden sind.

Die Vertraute, welcher der traurige und verlassene Zustand ihrer Herrin zu Herzen ging, enthüllte ihr, indem sie sich aller weiblichen Schamhaftigkeit entäußerte, dass Fürst Wislaw, von schöner Gestalt und Adel des Körpers, so wie von lieblichem Anblick, in dem Turme gefangen liege und die Unglückliche riet, dass sie beföhle, ihn in stiller Nacht aus dem Turme zu ziehen und, wenn sie sich lieblicher Umarmungen erfreut hätte, ihn sicher wieder in den untersten Teil des Turmes zu bringen.

Jene war den Reden der Vertrauten günstig geneigt, und obgleich von ängstlicher Furcht beklemmt, fürchtete sie sich doch nicht, Leben und Ruf der Ehre Preis zu geben, befahl, den Wislaw aus dem Innern des Kerkers herbei zu führen, und durch seinen Anblick und den Adel seines Äußern, welche sie bewunderte, ward sie erfreut. Nun wollte sie ihn nicht mehr in den Kerker werfen lassen, sondern vielmehr, mit ihm durch die innigsten Fesseln verknüpft und durch unauflöslicher Liebe Banden verkettet, floh sie nach Wislicz, das Ehebette ihres Mannes verlassend. So kehrte Wislaw in sein Eigentum zurück, indem er glaubte, einen doppelten Triumpf errungen zu haben, der aber in dem wankelmüthigen Ausgange, durch den Tod beider, sich endete.

Denn kurze Zeit hernach, als Walter zu seiner Heimat zurückkehrte, fragte er seine Lehnsleute: warum ihm nicht Helgunda, bei seiner erfreulichen Ankunft, bis vor die Tore des Schlosses entgegen käme? Ihm erwiderten die Lehnsmannen, wie Wislaw aus der Wacht des tiefsten Turmes, durch Hülfe der Helgunda, sei befreit worden und sie mit sich hinweggeführt habe. Sogleich, von mächtiger Wut erfüllt, eilte Walther gegen Wislicz, nicht fürchtend, sich und das Seine ungewissen Erfolgen auszusetzen. Unvermutet kam er in der Stadt Wislicz an, als Wislaw außerhalb der Stadt mit Jagen sich beschäftigte.

Kaum erblickte ihn Helgunda in der Stadt, so eilte sie sogleich zu ihm, fiel auf ihre Knie nieder und beklagte sich heftig über Wislaw, der sie mit Gewalt geraubt habe, den Walter beredend, daß er mit ihr in die innern Gemächer des Hauses käme, versprechend, ihm den Wislaw auf seinen Wink sogleich in seine Gewalt zu geben. Dieser glaubte den verführerischen Überredungen der Täuscherin, ging mit ihr in die feste Wohnung, wo sie ihn dem Wislaw als einen Gefangenen vorführte. Wislaw und Helgunda freueten sich höchlich über den glücklichen Erfolg, nicht daran denkend, daß einer so großen Freude oft ein tödliches Leid folgt.

Er wollte den Walther nicht in gewöhnlicher Kerkerhaft behalten, sondern wollte ihn mit mehr, als mit den Schauern eines Verließes quälen. Er ließ ihn nämlich an die Wand des Speisesaals mit ausgespannten Armen, aufgerichteten Halse und Füßen, durch eiserne Klammern aufrecht anschmieden. Dorthin ließ er ein Ruhebettlein bringen, worauf er im Sommer mit der Helgunda in zärtlichen Spielen mittäglich zubrachte.

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