Graf Walther und Helgunda (Krakau, Wiślica vor 1253)
in:
"Graf Walther und Helgunda (Krakau, Wiślica vor 1253)" zum Anhören, als Download, als Buch oder als CD bei Amazon
Wislaw hatte eine leibliche Schwester, welche, wegen besonderer Häßlichkeit, niemand zum Weibe begehrte, deren Bewachung Wislaw, vor andern Hütern, den Walther anvertraute. Ihr gingen die Leiden Walthers sehr zu Herzen und sie fragte ihn, gänzlich jungfräuliche Sittsamkeit verleugnend: „ob er sie wohl zum Weibe nehmen wolle?“ dann wolle sie seinen Leiden Erleichterung verschaffen und ihn von seinen Ketten befreien. Er versprach ihr und bekräftigte mit einem Eid, daß er sie mit ehelicher Liebe, so lange sie lebten, behandeln wolle und mit seinem Schwerte gegen ihren Bruder Wislaw, das begehrte sie, nie kämpfen wolle.
Er bat sie darauf, daß sie sein Schwert aus dem Bette ihres Bruders nehmen und ihm bringen möchte, auf daß er mit demselben seine Fesseln lösen könne. Sie brachte ihm sofort das Schwert und durchhieb, wie ihr Walther befahl, ein jedes Band der eisernen Schienen und Ketten, und verbarg hierauf zwischen dem Rücken Walthers und der Wand das Schwert, daß er zu seiner gelegen ergriffenen Zeit sicher davon gehen könne.
Jener wartete bis auf die Nachmittagsstunde des folgenden Tages, da Wislaw mit der Helgunda wieder auf dem Ruhebette, sich umarmend, waren. Da redete sie Walther, gegen seine Gewohnheit, an und sagte: „wie würde euch sein, wenn ich, befreit von den Fesseln, mein gezogenes Schwert in den Händen, vor eurem Ruhebette stände, und drohte für eure Schandtaten Rache zu nehmen?“
Bei diesen Worten klopfte das Herz der Helgunda und zitternd sagte sie zu Wislaw: „wehe! Herr, sein Schwert fand ich heute nicht in unserem Bette und über dein Kosen habe ich vergessen, es dir zu entdecken.« Wislaw entgegnete ihr: wenn er auch zehn Schwerter hätte, könne er ihnen nichts tun, wegen der Eisengebände, die er nur durch Kunst eines Schmeides zu lösen vermöchte.
Als jene so unter sich schwatzten, sprang Walther frei von den Ketten, und sie sahen ihn mit geschwungenem Schwerdte vor dem Bette stehen, und nachdem er sie geschmäht hatte, hob er die Hand mit dem Schwerdte und ließ es auf beide herabstürzen. Fallend hieb es beide mitten von einander. So schloß sich beider verächtliches Leben durch ein unseliges Ende. Noch zeigt man das Grab der Helgunda im Schlosse zu Wislicz allen denen, die es zu sehen wünschen, in Stein gehauen, bis auf den heutigen Tag. (um 1253.)
Schlagwort: |

