Libussa und Primislaus (Libuše und Přemysl)


in:

mp3 anhören"Libussa und Primislaus (Libuše und Přemysl)" zum Anhören, als Download, als Buch oder als CD bei Amazon

Deswegen erwählten sie zehn fürnehme Männer und als dieselben zu Libussa gebracht wurden, zeigte sie ihnen ihr schimmlicht Roß (Schimmel), so gesattelt und mit einer Decke bekleidet war, und befahl, daß die Abgesandten das Roß von sich selbst sollten gehen lassen, wohin es wollte, und sollten demselben nachfolgen und nicht davon weichen, bis sie zu einem Ackersmann kämen, so auf einem eisernen Tische äße. Und wenn sie ihn würden ansichtig werden, sollten sie ihn einen Fürsten heißen, ihm das königliche Prunkkleid und Schuh, welche sie ihnen zugleich mitgab, anziehen und ihn auf das Schloß Wischerad bringen.

Als die Abgesandten solchen Befehl empfangen hatten, folgeten sie dem Rosse nach, im Jahre Christi 722 am elften, oder, wie einige wollen, dreizehnten Mai, wo es hinging. Und indem es fast in die zehn Meilen Weges über Berg und Tal gangen, wendete es sich bei dem Wasser Belin oder Bile, bei einem Dorfe Stadiz, von der Straße, lief alsbald auf den Acker, der erst des meistentheils aufgerissen war, ging zu dem Ackersmann daselbst, mit Namen Primislaus, neigete sich vor ihm mit gebogenen Knien und Halse, gleich als wollte es ihm seine Reverenz und Ehrerbietung tun.

Der Ackersmann blieb auf seiner Pflugschar, so er umgewendet, sitzen, aß sein Brod und Käse brauchte die Pflugschar anstatt des Tisches, so lange, bis die Abgesandten der Libussa Befehl vollzogen und ihn zu ihrem Fürsten beriefen und ernannten. Darauf stand er alsbald auf, nahm seine Rute, so von einer Haselstande gemacht, und neben dem Pfluge lag, stipfte damit die Ochsen, daß sie sollten gehen, von wannen sie kommen wären. Wie man sagt, sollen die Ochsen verschwunden, in einen Berg gangen und nicht mehr sein gesehen worden.

Hernach nahm er die Rute, steckte die in die Erde, welche alsbald zu einer Haselstaude ward und drei grüne Zweige herfür brachte, deren zween alsbald verdorrten, der dritte aber wuchs und ward zu einer großen Haselstaude, so Früchte brachte.

Als Primislaus solch Wunder sah, wendete er sich zu den Abgesandten, sagte, er müßte Gott gehorsamen, der ihn vom Pfluge zum Fürstentume berufete, doch wollte er gewünscht haben, daß sie etwas langsamer kommen wären, daß er den Acker vollends hätte mögen aufreißen; denn solcher Gestalt würde die Macht dieses Königreichs viel gewaltiger sein worden, und würde sein männliches Geschlecht zu ewigen Zeiten regiert haben. Darauf legte er seine alte bäurische Kleidung ab, zog das fürstliche Kleid und die Schuh an, so ihm Libussa übersendet hatte, setzte sich auf das Roß und zog nach dem Schloß Wischerad, sein ehelich Beilager allda zu halten.

Als er aber ein wenig von dannen kommen und auf der Reise war, sagte er, er hätte sein Säcklein, in welchem er seine Speise und seine Schuh hatte, vergessen mit sich zu nehmen, bat derowegen, daß irgend einer wieder umkehren wollte und auf dem Acker ihm dieselben hohlen. Als sie nun gebracht wurden, fragete der Gesandten einer: warum er doch so sehr nach seinem Säcklein und Schuhen verlangete? denn er dieselben viel lieber hinweg werfen und verbergen, denn jemand sehen lassen sollte, weil wegen derselben vielmehr jedermann ihn ausspotten als rühmen würde.

Darauf antwortete er: er würde vielmehr einen Ruhm dadurch erlangen, weil er sich seiner geringen Abkunft nicht schämte und ein Gedächtniß derselben hinter sich verließe, damit die nachkommenden Fürsten wegen ihrer geringen Abkunft sich desto weniger überhöben; denn dies ja ein stolzer Herr sein müsse, der sein geringes Herkommen vor Augen sähe und dennoch prangen und hoffertig sein wollte.

Der Abgesandte fragte weiter: was doch das Wunderzeichen mit den Ochsen und der Rute bedeutete? Darauf antwortete er: solches bedeute seine Hoheit und Ehre, zu welcher er erhoben wäre. Die Rute aber, aus welcher drei Zweige gewachsen, bedeutete seine drei Söhne und gleich wie zween Zweige der Hasel bald verdorret wären, also würde er zween Söhne überkommen, aber sie würden nicht lange im Leben bleiben, der dritte aber würde zu einem Regenten werden und edle Früchte bringen. Und wenn durch der Abgesandten Zukunft, sprach er, das Ackeraufreißen nicht wäre verhindert worden, sondern vollendet, so würde sein männlicher Stamm keine Endschaft bei den Böhmen gewonnen haben. Nun aber würde derselbe zwar eine lange Zeit währen, doch würde er zuletzt untergehen und verfallen, wenn der Enkel den Großvater rächen würde.

Als die Abgesandten mit Primislaus zu dem Schlosse naheten, eilete ein jeder, damit er dem andern zuvorkäme und Libussa die Zeitung brächte. Es zog ihm auch Libussa entgegen und war bei jedermann große Freude und das herzogliche Beilager wurde gehalten.

Anmerkung: Libuše (deutsch Libussa oder Libuscha, auch Lubossa, Lybussie, Libussie, Libusse) ist die mythische Stammmutter der Přemysliden-Dynastie in Böhmen. (Wikipedia)

Seiten: 1 2


Liederthema: Allgemein

Schlagwort: |
Ort: ,

Medien: