Stehe ich am Eisengitter
in der stillen Einsamkeit
klage laut und weine bitter
klage Gott mein Herzeleid
Ach wie bin ich so verlassen
Auf der Welt von jedermann!
Freund und Feinde tun mich Hassen
Keiner nimmt sich meiner an.
Einen Vater, den ich hatte,
Den ich oftmals Vater ’nannt,
Eine Mutter, die mich liebte.
Die hat mir der Tod entwandt.
Beide sind für mich verloren.
Solche Opfer sind dahin
O, wär ich doch nie geboren.
Weil ich so unglücklich bin!
Ach wie düster (dunkel) sind die Mauern,
Ach wie sind die Ketten schwer!
Ach, wie lange wirds noch dauern,
Ist denn keine Rettung mehr?
Trauter Jüngling, meinst du’s redlich
Oder liebst du nur zum Scherz?
Männerränke sind gefährlich
Für ein junges Mädchenherz.
Warum mußte ich dich sehen?
War das Schicksal mir so gram.
Warum mußt ich dorthin gehen
Wo dein Blick mir Alles nahm?
Ruh und Frieden sind zerrissen
Trost und Freuden sind dahin
O wär ich doch nie geboren.
Weil ich so unglücklich bin!
Bester Jüngling, nimm zum Pfande
Dieses blondgelockte Haar
Mit dem roten Seidenbande
Das auf meinem Busen war.
Und wenn ich einst sterben werde.
Und getrennt von dir muß sein,
O, so pflanz auf meinem Grabe
Rosen und Vergiß nicht mein!
Text und Melodie: Verfasser unbekannt
in Deutscher Liederhort II (1893, Nr. 727)
vielfach mündlich von 1870— 1891: aus Schleswig–Holstein (am vollständigsten, wie hier. Ziemlich gleich im Westerwald, Dillkreis, Oberhessen und Rheingau 1880, Hannover 1870, ohne Str. 6 — 8. — Anderwärts kürzer, mit Versetzung der Strophen und Anfang „O wie dunkel sind die Mauern“ (A. Müller, Volkslieder aus dem Erzgebirge 1884, S. 64). „O wie düster sind die Mauern“ (aus dem Elsaß, handschriftliches Liederheft aus Riedheim 1845). Mit gleichem Anfange bei Mündel S. 230 langes Gedicht: „Klage eines ausgewanderten getrennten Ehemanns.“ — Am Rhein: „Ach wie bin ich so verlassen“ (Becker Nr. l66). — Aus Oberhessen bei Böckel S. 17. —